Bürgerrat – politische Vielfalt

Menschen im Bürgerrat diskutieren

Ein Bürgerrat (auch Bürgerforum genannt) ist ein innovatives Beteiligungsformat, welches zu den fakultativen Partizipationsmöglichkeiten gehört. Das bedeutet, das Format ist nicht gesetzlich geregelt, sondern wird von öffentlichen Körperschaften auf freiwilliger Basis ausgeführt. Der Rat bringt unterschiedlichste Menschen zusammen und ermöglicht einen gemeinsamen Austausch über diverse Themen.

Die Vielfalt an unterschiedlichen Personen wird gewährleistet, indem die Teilnehmenden durch ein Losverfahren ausgewählt werden. So können politische Angelegenheiten von Menschen mit unterschiedlichem Einkommen, Alter, Bildungsabschluss, Erwerb- und Familienstatus, Migrationshintergrund und sonstigen Lebensumständen zusammenkommen, ihre individuellen Meinungen und Erfahrungen einbringen und gemeinsam an einer Lösungsfindung arbeiten. Das besondere Auswahlverfahren wirkt sich vor allem positiv auf die Einbindung partizipationsscheuer Gruppen, wie Jugendliche und nicht wahlberechtigte Menschen, aus. Zudem können die Auswirkungen von politischen Maßnahmen durch die verschiedenen Blickwinkel und Lebenserfahrungen der Menschen umfassender diskutiert werden, als dies bei Gruppen mit sehr ähnlichen Lebensumständen der Fall sein würde. Das Ergebnis sind zufriedenstellende Lösungen für die breite Bevölkerung. Bürgerräte haben somit einen hohen positiven Einfluss auf unsere Demokratie.

Wie läuft ein Bürgerrat ab?

Ausgangspunkt eines jeden Bürgerrats ist der Bedarf nach Austausch über ein politisches Problem von großem öffentlichem Interesse. Liegt das Thema fest, werden die Teilnehmenden ausgelost. Basis dafür ist das Einwohnermelderegister der Kommunen. Die gelosten Personen dürfen sich nun für den Bürgerrat bewerben. Dafür müssen sie weitere Angaben über ihre Person machen. Mit diesen Informationen werden die Veranstaltenden ein für die Gesellschaft repräsentatives Sample auswählen. Die nächste Phase stellt der Bürgerrat an sich dar. Die Teilnehmenden kommen zusammen und werden zunächst von Expert:innen zum jeweiligen Thema informiert. Im Anschluss werden sie sich in Kleingruppen austauschen, Fragen, Bedenken und Ideen formulieren. Das kann in einer Sitzung passieren, aber auch über mehrere hinweg dauern. Der Austausch wird stets durch ein Moderationsteam begleitet. Der Rat schließt erfolgreich ab, wenn Handlungsempfehlungen erarbeitet werden konnten. Das „Bürgergutachten“ wird im Anschluss an die zuständige Instanz  (Parlament oder Verwaltung) weitergeleitet, wo sie nun ebenfalls diskutiert werden. Da die Teilnehmenden des Bürgerrats nicht durch Wahlen legitimiert wurden, sind die Ergebnisse nicht verbindlich. In wie fern die Ergebnisse tatsächlich umgesetzt werden, hängt ganz von der entscheidenden Instanz ab. Allerdings ist die Möglichkeit, die Ergebnisse durch eine Volksabstimmung entscheiden zu lassen, gegeben.

Verbreitung in Deutschland

Wie alle fakultativen (gesetzlich nicht geregelte) Beteiligungsformate werden Bürgerräte hauptsächlich auf Kommunalebene zur Unterstützung repräsentativdemokratischer Elemente (wie Wahlen) durchgeführt. Bürgerräte diskutieren über unterschiedlichsten Themen: seien es Nachhaltigkeitskonzepte, die Gestaltung von Flächen in der Innenstadt, oder Budgetplanung. Bürgerräte auf Kommunalebene sind in ganz Deutschland aufzufinden.

Auf Landesebene fanden Bürgerräte in letzter Zeit häufig statt, um den Umgang mit der Corona-Pandemie zu diskutieren. Vor allem in Krisenzeiten muss Politik nahbar sein und den Menschen zuhören. Bürgerräte bieten dafür eine gute Möglichkeit. So haben sich in Baden-Württemberg 55 Bürger:innen im „Bürgerforum Corona“ über ein Jahr lang über die Vor- und Nachteile der derzeitigen Corona-Schutzmaßnahmen ausgetauscht. Am Ende sprachen sie sich für eine allgemeine Impfpflicht und gegen 2G-Regeln aus, womit sie der geltenden Politik widersprachen.

Obwohl Bürgerräte vor allem auf Kommunal- und Landesebene zur Meinungsfindung der betroffenen Einwohner:innen Anwendung finden, haben sie über die den letzten Jahren auch auf Bundesebene an Wichtigkeit gewonnen. Im Jahr 2021 gab es den ersten bundesweiten Bürgerrat, der Klimawandel thematisierte. Dabei diskutierten 160 geloste Bürger:innen aus ganz Deutschland in 12 Sitzungen zwischen April und Juni über Klimaschutzmaßnahmen. Die Frage, wie das Pariser Klimaschutzabkommen unter Berücksichtigung gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und ökologischer Gesichtspunkte noch erreicht werden kann, stand im Mittelpunkt des Austausches. Die Teilnehmenden entwickelten 80 konkrete Handlungsempfehlungen, die letztendlich der Bundesregierung vorgelegt werden konnten.

Interesse an weiteren Arten von Bürgerbeteiligungsverfahren? Weitere spannende Arten der Bürgerbeteiligung bieten beispielsweise Bürgerbefragungen oder Volksabstimmungen. Schau doch mal rein.

Quellen

Bürgerrat Demokratie: Warum und wie Bürgerräte mit Losverfahren funktionieren. Bürgerrat Broschüre. eingesehen am 22.12.2022.

Bürgerrat Klima. https://buergerrat-klima.de/wie-laeuft-der-buergerrat-klima-ab. eingesehen am 22.12.2022.

Bürgerrat. https://www.buergerrat.de. eingesehen am 22.12.2022.

Bürgerrat. Bürgerforum Corona für Impfpflicht. Bürgerrat Bürgerforum Corona. eingesehen am 22.12.2022.

Über leanact

Die leanact GmbH unterstützt Kommunen durch Software für zeitsparenden Bürgerservice, sowie verschiedene Lösungen im Bereich der E-Partizipation.  Ziel ist die verbesserte Kommunikation zwischen Bürger:innen und Verwaltung.

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Emmely Achenbach
Als Spezialisitin im Bereich der digitalen Bürgerpartizipation berichtet Frau Achenbach bei der leanact GmbH über die verschiedenen Formen der Bürgerbeteiligung.

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